Eines muss man californication lassen: die Serie ist ganz ihrer selbst, das heißt ihrer Selbstironie überlassen, der Haltlosigkeit im sich stur wiederholend Sinnentleeten, die sich irgendwann mit aller Härte und Brutalität gegen das eigene Selbst wendet und die Anklage wegen Verschwendung der eigenen Lebenszeit seine letzte Instanz beim eigenen Ich findet, der unerfüllte Wunsch nach Sinn und Bedeutung mangels äußerlicher Projektionsobjekte sich nach innen äzt wie eine Säure und die Seele sich selbst auffrisst; selbst die Aufgabe dieser letzten gewaltsamen Intimität mit sich selbst wird hier noch übertrumpft, wird übergangen und mit einer gewissen Lässigkeit beiseite geworfen, so als wüssten die Storywriter und Produzenten mehr als sie tatsächlich zum Besten geben, als gäbe es noch eine Wahrheit hinter der ewigen Wiederholung des Sinnentleert-Absurden. Und tatsächlich zeigen sie diese auch: in einer Welt in der die Menschen sich der Sinnlosigkeit und der Gleichgültigkeit in allen Belangen, der vanitas ihres Streben und Tuns aus Mangel an echten Alternativen hingeben müssen und deshalb seelen- und sinnlos vegitieren müssen, stößt das Leben und sein Sinn mit einer der vorangegangenen Sinnlosigkeit proportionaler, unvermittelter, brutaler Härte zu. Doch ist es diese Gewalt, diese Härte, die es zu schätzen lernen es gilt – denn ein armer Mensch hat sich nicht beklagen wenn er etwas geschenkt bekommt, besonders wenn das Geschenk eine Sinnerrfüllung ist, selbst wenn das Geschenk bedeutet, dass man die vereinzelten Momente von roher Klarheit und messerscharfer Bedeutung dankbar annehmen muss, auch wenn sie, wenn sie denn trotz ihres unvermittelten, unkontrollierten, überfallartigen, schmerzhaften Zustechen geschätzt und angenommen werden sollen, das sonstige Leben, das davor und danach, zur Nichtigkeit degradieren. So steil der Aufstieg zum Gipfel ist, wo man ein Gänseblümchen Sinn abgreifen darf, so tief der Fall danach in das seelenlose Nichts.
Die Autoren der Serie zeigen uns diesen scharfen Brechungen ohne dass es im einzelnen vorhersehbar wäre – nur wer schon mehrere Folgen der Serie aufmerksam mitverfolgt hat, wird warten, nicht ohne gewisser innerer Spannung auf den Moment, wo californication wieder einmal ernst wird. Bemerkenswerterweise wird diese Sequenz beinahe immer nur von der männlichen Hauptrolle getragen – denn die weibliche ist damit beschäftigt, ihre Wut über die Sinnlosigkeit auf die erstere abzuwälzen, wodurch sich californications dysfunktionaler Sinn-Entleerungs-Kreislauf in Gang setzt: Er lässt seinen Groll über den Mangel an Bedeutung an sich selbst aus (und ist damit der humanere von beiden), was ihr wiederum einen Teil ihres Lebenssinns, den der intakten Familie, raubt. Deshalb versucht sie, verärgert und wütend, ihm diese Sinnsubstanz, personifiziert durch die Tochter Becka, zu entziehen – was wiederum nur zur Folge hat, dass sich Hank Moody noch mehr berauscht an allem, an was sich ein Mann berauschen kann.
Hat man kurz vor den netto-zwanzig-Minuten die die Serie läuft keine sinnhafte Sequenz gesehen, kommt diese spätestens zum Schluss. Man lernt, dass Californication am Ende immer ernst wird. Nur wie – wie der Sinn wieder zustoßen wird ist kaum vorhersehbar. Und freilich besteht in dieser Unvorhersehbarkeit die eine Relevanz von californication, als Parallele zum echten Leben. Sinn wird Dir immer im Leben zustoßen, nur auf welche Weise, das bleibt oft die Überraschung bis zum Schluss.
Aber selbst wenn das Muster in diesem Sinne etwas Beständiges hat – darin liegt sowohl die künstlerische Relevanz als auch der Tröstlichkeit von californication: letztlich geht es denen mit all ihrem Geld und all der Sonne und Naturschönheit Süddkaliforniens auch nicht wesentlich besser als mir. Selbst das gelobte Land macht die Natur des Menschen um keinen Deut besser. Oder umgedreht dargestellt: dem Paradies der ständig strahlenden Sonne, des Strandes und der Wellen kann die Schönheit des Menschen bestenfalls nur äußerlich ebenbürtig sein – nur dafür können David Duchovny und Natascha McElhone wirklich sicher bürgen.
Wieder bei der Oberflächlichkeit angekommen schließt sich der Kreis und der existenzielle Kampf des modernen Menschen um den Sinn beginnt vom Neuen.
